Montag, 27. Dezember 2010

[Buch] Shall we Dance and Sing? Zeitgenössische Musical- und Tanzfilme

[Bild via]
Dorothee Ott (2008): Shall we Dance and Sing? Zeitgenössische Musical- und Tanzfilme. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.

Shall we Dance and Sing? ist der Titel der Dissertation von Dorothee Ott, mit der sie 2007 in Filmwissenschaft promovierte. Man darf sich also kein "klassisches" Musicalbuch erwarten. Hier wird weniger auf musikalische Qualitäten eingegangen als darauf, wie (erzählender) Tanz und Gesang in den Film eingebunden sind. Wie findet der Übergang zwischen der "normalen" Szene und dem Tanz/Gesang statt. Mit welchem filmischen Mitteln wird die Erzählung unterstützt und so weiter.

Als Nicht-Filmwissenschaftlerin hätte ich mir manchmal mehr Erklärungen gewünscht, was Fachvokabeln angeht. Totale und Halbtotale kann man sich ja noch erklären. Top Shot geht auch noch. Aber Amerikanische Einstellung? Da musste ich schon googlen. Der Autorin kann ich das allerdings nicht zur Last legen. Eine Disseration wird schließlich für das Fachpublikum und nicht die Laien geschrieben.
Dafür gibt es Definitionen und Erklärungen zu diversen Musicalbegriffen und einen langen einführenden historischen Teil, in dem die Geschichte des Musical- und Tanzfilms abgehandelt wird. Meiner Meinung nach zu lang und vor allem langatmig, zu oft hält sie sich in Nebengebieten auf. Es hätte gereicht den Tangofilm in ein paar Seiten abzuhandeln. Tangofilm ist nicht der Fokus der Arbeit? Dann braucht das Thema auch nicht über zehn Seiten lang zu sein. Gute hundert (von 346) Seiten braucht Ott insgesamt um zum Hauptteil zu kommen.

Der Hauptteil besteht dann aus der detaillierten Analyse dreier Tanzfilme (Dirty Dancing, Strictly Ballroom und Shall we Dansu?), zweier Musicalfilme (Moulin Rouge! und Chicago) sowie einer Tanz-Dokumentation (Rhythm is it!). Letztere wirkt nach den beiden Musicalfilmen ein wenig fehl am Platz, erwartet man doch in logischer Konsequenz eigentlich einen dritten Musicalfilm. Oder zumindest eine Dokumentation, die sowohl Tanz als auch Gesang zum Thema hat.
Die Analysen selber sind wirklich äußerst detailliert. Teilweise werden Szenen sekundengenau beschrieben und angesehen, sodass man sie sich fast schon vorstellen kann, selbst wenn man den entsprechenden Film nicht kennt. Wie immer bei solchen Büchern ist es natürlich von Vorteil, wenn man zumindest ein paar der Filme oder Szenen kennt. Otts Erkenntnisse sind größtenteils interessant und nicht alles wird auch dem aufmerksamen Laienzuseher aufgefallen sein. Im Großen und Ganzen kann es aber schon recht langatmig werden, vor allem weil sie sich innerhalb der Abschnitte immer wieder einmal wiederholt. Da wäre es manchmal besser gewesen einen zusammenfassenden Absatz zu schreiben. Die farbigen Abbildungen befinden sich immer am Ende einer Filmanalyse. Es wäre nett gewesen sie gleich bei der Analyse der jeweiligen Szene zu haben oder zumindest einen Verweis zu Abb. XY.

Allerdings hat Ott in meinen Augen manchmal ein Problem mit dem sprachlichen Ausdruck. Ist "Mischlingskind" (S.311) wirklich ein Ausdruck, den man verwenden sollte? Sie neigt außerdem dazu ihren Enthusiasmus (vor allem für Baz Luhrmann) nur allzu deutlich zu zeigen und ins Pathetische abzugleiten Ein besonders gutes Beispiel dafür:
Für den modernen Menschen, der Wahrnehmung im Kino und vor dem Fernseher gelernt hat, ist Popmusik der Sountrack zu dem großen Film, der Leben heißt. (S. 231)
Der große Film, der Leben heißt. Na, wenn sie meint.

Verwundert hat mich auch diese Zeile:
Auf der Theaterbühne wird erzählender Gesang jedoch heute immer noch als Ausdrucksmittel akzeptiert, weil sich das Bühnenmusical neben den traditionellen Theaterformen Operette und Oper [...] als gleichwertige Kunstform etabliert hat. (S. 212)
Leider ist das wohl eher Wunschdenken als Wirklichkeit. Zumindest erlebe ich das in meinem Leben nicht so. Eher im Gegenteil wird das Musical als leichte Unterhaltung abgetan, die man nicht ernst nehmen muss und die sich nicht mit anderen Typen des Musiktheaters, vor allem der Oper, messen könne.

Mein Fazit: Durchaus lesenswert, aber etwas langatmig.

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