Das Alltags-, Uni- und Privatleben hat mich im Moment voll im Griff und so hatte ich in letzter Zeit wenige Möglichkeiten mich mit Musical oder Theater im Allgemeinen zu beschäftigen. Dabei gibt es in meiner Musical-Sammlung ein paar Neuzugänge. Scott Alans drittes Studioalbum
what i wanna be when i grow up, die neue DVD von
Roméo et Juliette und
Our First Mistake von Kerrigan and Lowdermilk.
Auf diesen letzten Neuzugang war ich zugegebenermaßen am gespanntesten.
Kerrigan and Lowdermilk waren für mich eine Zufallsentdeckung auf youtube. Wie das nun mal so ist manchmal. Man klickt irgendetwas an, klickt ein vorgeschlagenes Video und irgendwann ist man ganz weit entfernt vom Ausgangspunkt und wie sich herausstellte, war das ein Glücksfall. Die Songs des Singer/Songwriter-Duos vereinen eine Menge verschiedener Stile und jeder vermittelt sein ganz eigenes Gefühl. Ganz besonders die aus
Tales from the Bad Years, die die Lebenswelt der 20-somethings so wunderbar einfangen.
Somit war meine Vorfreude groß, als bekannt wurde, dass die Veröffentlichung eines Studioalbums geplant wurde (einer meiner ersten
Blogposts handelte davon).
Our First Mistake ist zwar nicht wie geplant Ende Dezember 2010 sondern am 18. Jänner 2011 herausgekommen, aber für mich persönlich war das keine Tragödie, da ich sowieso erst jetzt dazu gekommen bin. Im Prinzip müsste sich das Album niemand kaufen. Alle Lieder sind bereits ganz offiziell auf youtube zu hören und das auch meist in ganz guter Qualität, wenn auch Hintergrundgeräusche bei Live-Aufnahmen schwer zu vermeiden sind. Das Interessante daran ist also eher, wie die Songs klingen, wenn sie im Studio aufgenommen wurden. Ob sie vielleicht neu arrangiert wurden. Wie der Interpret/die Interpretin klingt, die nicht auf youtube zu finden ist.
Wie schon für ihre Live-Auftritte wurde auch für die Studioaufnahme eine Reihe von namhaften Stimmen gewonnen. Zu hören sind unter anderen
Matt Doyle (
Bare: a Pop Opera,
Bye bye Birdie,
Spring Awakening),
Morgan Karr (
Spring Awakening) und
Kelli O'Hara (Tony nominiert für
South Pacific), aber auch
Vienna Teng oder die Gruppe
The Spring Standards.
Vielfalt ist das Motto und das in allen Bereichen, auch wenn das die einfache, braune Kartonhülle (die CD selber ist übrigens pink) nicht vermuten lässt. Ein physikalisches Booklet gibt es nicht, die Liedtexte sind aber auf der Homepage von Kerrigan and Lowdermilk zu finden und ein digitales Booklet gibt es
hier.
Nach dieser langen Vorrede also auf zum Wesentlichen: die Musik. Es ist schwer dem Werk einen einheitlichen Stil zuzuordnen, was viele Lieder aber gemeinsam haben ist der Aufbau. Vieles beginnt langsam, leise, ruhig und wird gegen Ende hin kraftvoller, emotionaler, intensiver. Das gilt zum Beispiel für das generell ruhige "Say the Word" (gesungen von Vienna Teng), das der Einstieg in die CD ist und sich ganz langsam, ganz zart steigert. Ich persönlich liebe ja die Klaviermelodie, die hier wunderbar zur Geltung kommt. Ähnlich aufgebaut ist auch "Run Away With Me", aus dem
Michael Arden einen wirklich mitreißenden Song macht. Jedes Wort, jede Emotion glaubt man ihm. Wer würde da nicht gerne mit ihm durchbrennen? Die zweite Version des Liedes, von den Spring Standards interpretiert, kommt dagegen nicht an. Zu brav ist man hier, zu wenig kraftvoll. Ein bisschen gilt dieser Aufbau auch für "Five and a Half Minutes" (
Katie Thompson). Immer noch eines meiner Lieblingslieder
.
Das alles klingt fast genauso wie auf youtube, generell etwas glatter als gewohnt. Am verändertsten ist wohl "Last Week's Alcohol" (Matt Doyle), das ein neues Intro verpasst bekommen hat, das wohl an den besungenen "German techno beat" angelehnt ist. Die Instrumente und damit die Melodie setzen erst nach und nach ein. Auch dazwischen hat man einen längeren Instrumentalteil eingebaut als in der bekannten Live-Version, sodass das ursprünglich etwa sechs Minuten lange Lied nun auf acht Minuten gestreckt wurde. Notwendig wäre das nicht gewesen. Auch weil diese Version viel sanfter ist, da fehlt die Intensität, die Eindringlichkeit. Wo ist "the pounding of your chest", das in der Live-Version noch da war? Wo ist dieses Gefühl von "racing the street in an ambulance"?
Unverändert großartig ist Morgan Karr (unterstützt von Matt Doyle und
Jay A. Johnson) mit "Two Strangers". Im Original in
Tales from the Bad Years wurde es noch von Frauen gesungen. Die Männer-Version ist aber mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser. Morgan Karr hat einfach eine fantastische Stimme und die Harmonien kriechen einem fast unter die Haut.
Thematisch hervorzuheben sind "My Heart Is Split" (
Laura Osnes,
Meghann Fahy) und "How to Return Home" (
Natalie Weiss). Beide sind aus
The Freshman Experiment, einem Blog-basierten/inspirierten Musical und beschreiben eindringlich die Gefühle, wenn man von zu Hause weggeht, wiederkommt, erwachsen wird.
Interessant ist auch "A Mistake". Kein neuer Song, sondern eine Art Snippet von den Aufnahmen von "Last Week's Alcohol". Solche Snippets (etwas Gelächter, Stimmen) sind übrigens auch hin und wieder vor den eigentlichen Tracks zu hören.
Mein Fazit: "We write Musicals" steht ganz groß auf der Homepage und es ist zu wünschen, dass sie das noch lange tun werden. Der Gesamteindruck der Studioeinspielungen kommt leider manchmal zu glatt rüber. Ein wenig mehr Ecken und Kanten hätten nicht geschadet. So springt der Funke nicht immer über. Dort wo er es aber tut umso mehr, weswegen ich die CD auch nur jedem und jeder ans Herz legen kann.
09. A Mistake (Kerrigan-Lowdermilk)