Wieder bin ich zurück von einem - diesmal deutlich kürzeren - Urlaub mit Musicalbesuchen. Nach London ging es nun nach Bad Hersfeld und ins von dort nahe gelegene Fulda, um Sunset Boulevard und Die Päpstin zu sehen. Die Bad Hersfelder Festspiele fanden heuer schon zum 61. Mal statt, für ich war es der erste Besuch und ich kann schon vorweg sagen es hat sich gelohnt. Andrew Lloyd Webbers Sunset Boulevard ist eines dieser Stücke, von denen ich irgendwie im Hinterkopf vage etwas wusste, von denen ich ein, zwei Songs kannte, aber unter Umständen noch nicht einmal wusste, dass diese aus dem Stück waren. Es war also an der Zeit, das Musical einmal anzusehen und als die Bad Hersfelder Besetzung bekannt wurde, stellten sich nur mehr zwei Fragen: Wann geht sich das aus und lässt es sich auch finanzieren? Beide Fragen konnten zufriedenstellend beantwortet werden und so fanden sich meine Freundin N. und ich am 26. Juli 2011 zum ersten Mal in Bad Hersfeld ein, dessen größte Attraktionen wohl die Stiftsruine und die darin stattfindenden Festspiele sind.
Das Stück: Der Inhalt von Sunset Boulevard wird den meisten vermutlich bekannt sein, aber da ich ihn vorher selber nur vage kannte, will ich ihn hier trotzdem kurz zusammenfassen. Joe Gillis ist Drehbuchautor und gerade wenig erfolgreich, lediglich die Produktionsassistentin Betty Schaefer glaubt an sein Talent. Auf der Flucht vor seinen Gläubigern, die Geld oder sein Auto wollen, gerät er versehens in das Anwesen des alternden ehemaligen Stummfilmstars Norma Desmond, das sie zusammen mit ihrem Butler Max bewohnt. Er wird zuerst für den Mann gehalten, der ihren Affen beerdigen soll. Als sie erfährt, dass er Autor ist, bittet sie ihn trotzdem zu bleiben. Er soll das Drehbuch überarbeiten, dass sie für ihr Comeback geschrieben hat. Er nimmt den Auftrag an und lässt sich von Norma aushalten. Sie wird indessen immer besessener von der Idee ihres Comebacks und auch von Joe, der schließlich versucht zu flüchten. Nach einem Selbstmordversuchs Normas kehrt er aber zurück und wird ihr Liebhaber. Er beginnt jedoch mit Betty an einem anderen Drehbuch zu arbeiten und die beiden verlieben sich ineinander. Als Norma das herausfindet, kommt es zur Konfrontation. Joe schickt Betty weg und teilt Norma mit, dass ihr Film nicht gedreht werden wird. In den Anrufen des Studios ging es lediglich um ihren Wagen. Diese Nachricht sowie Joes Vorsatz sie zu verlassen verkraftet Norma nicht. Sie erschießt ihn und verfällt dem Wahnsinn.
Das Buch von Don Black und Christopher Hampton ist im Großen und Ganzen gut gelungen, lässt allerdings ein paar Fragen unbeantwortet. Zum einen lässt die Charakterisierung von Joe Gillis zu wünschen übrig. Sein Hin und Her in Bezug auf Normas schleichend stärker werdenden Wahnsinn ist nicht ganz nachvollziehbar. Einmal findet er sie harmlos, dann wieder ganz und gar nicht und am Ende schickt er Betty weg, um vermeintlich bei Norma zu bleiben. Zwei Minuten später will er diese allerdings verlassen. Die Motivation dahinter kam nicht an bei mir. Auch die Tatsache, dass der Butler Max eigentlich Normas Ex-Mann ist, hätte etwas mehr Erklärung vertragen. Vielleicht liegt das auch an der deutschen Übersetzung (Michael Kunze) der Texte, die manchmal nicht so recht in die Melodie passen wollen.
Die Inszenierung: Die Stiftsruine ist ein interessanter Ort für eine Theateraufführung. Das halb verfallende Gebäude bietet schon alleine durch seine Erscheinung eine gewisse Stimmung, die vor allem mit einer guten Lichtregie (Henrik Forberg) ausgenutzt werden kann. Die besuchte Vorstellung begann um 21 Uhr, als es schon langsam dunkel wurde, die Produktion (Regie: Gil Mehmert) musste sich also bis zum Ende (ohne Pause wird knapp 2 1/4 Stunden durchgespielt) nicht mit wechselnden Lichtverhältnissen auseinandersetzen. Besonders gut wurden die Möglichkeiten genutzt, als ein Gewitter anzudeuten war (an diesem Abend war es real trocken) oder zur Silvesterszene ein echtes Feuerwerk gezündet wurde. Dass den Bühnennebel zwei Männer händisch auf die Bühne tragen mussten, ist da zu verzeihen. Das Bühnenbild (Heike Meixner) ist eher spartanisch. Links eine Treppe, die vor allem von Norma für (dramatisch) Auf- und Abgänge genutzt wurde, rechts ein Gestellt, das auf einer Seite Orgel war und auf der anderen Seite in alle möglichen Örtlichkeiten verwandelt wurde, in der Mitte zwei Palmen. Was man sonst noch braucht wird von den Darstellerinnen und Darstellern auf die und von der Bühne getragen. Das funktioniert sehr gut. Choreographie (Melissa King) und Kostüme (Werner Fritz) sind ebenfalls gut gelungen, auch wenn Bettys Kleider sie älter machen, als sie vermutlich sein soll und Normas grünes Kleid in der Silvesterszene kaum anzusehen ist.
Szenisch ist die Ruine eine interessante Kulisse, akustisch eher nicht. Orchester (Musikalische Leitung: Christoph Wohlleben) und Publikum sind überdacht, die Bühne ist es nicht. Bühne und Publikumsraum sind so voneinander getrennt, was nicht für die besten Klangverhältnisse sorgt.
Die Darstellerinnen/Darsteller: Helen Schneider ist als Norma Desmond dann besonders beeindruckend, wenn sie wahnsinnig ist. Das Ende bleibt nachhaltig in Erinnerung. Fraglos ist sie stimmlich sehr gut, wenn auch ihr Akzent an manchen Stellen etwas irritierend ist. Trotzdem bleibt ihre Darstellung oft ein großes Fragezeichen, weil nicht klar ist, was ist die Rolle und was nicht. Welche Gesten sind absichtlich genau so gesetzt, weil das ihr Rollenverständnis ist und welche sind eben einfach Gesten, die Helen Schneider macht.
Joe Gillis wird von Rasmus Borkowski verkörpert, dem die Pause vom Singen hörbar gut getan hat. Für Musicalfans ist es schade, dass er nun so viel Sprechtheater spielt (noch dazu solche Stücke), aber für seinen Gesang ist es von Vorteil. Stimmlich sicher setzt er vor allem mit "Sunset Boulevard" einen Höhepunkt des Abends. Schauspielerisch muss er allerdings noch an sich arbeiten. Es kommt wenig Gefühl an, vor allem die Liebesgeschichte mit Betty nimmt man ihm nicht ab. Lediglich wenn er wütend ist, ist er wirklich glaubhaft. Singt er, spielt er aber viel besser und bleibt am Ende doch positiv im Gedächtnis.
Katharina Schrade vertrat an diesem Abend Wietske van Tongeren und ist eine tadellose Betty Schaefer, die vielleicht nur eine Spur zu alt klingt. Die Romanze mit Joe kann allerdings auch sie nicht glaubhafter machen. Gerade der Kuss der beiden wirkt gespielt und auch davor spürt man kaum romantisches Knistern. So kommt das Liebesgeständnis etwas aus dem Nichts, auch wenn man natürlich wusste, dass es kommen wird - schließlich kennt man ja die Regeln des Theaters.
Helmut Baumann als Max von Mayerling agiert rollendeckend, bleibt aber nicht wirklich mehr in Erinnerung als der Rest des Ensembles.
Mein Fazit: Der Besuch bei Sunset Boulevard hat sich auf jeden Fall gelohnt. Es ist ein Musical mit schönen Melodien und manch starken Momenten und die Bad Hersfelder Inszenierung kann sich sehen lassen. Empfehlenswert.
Im Web:
Das Stück: Der Inhalt von Sunset Boulevard wird den meisten vermutlich bekannt sein, aber da ich ihn vorher selber nur vage kannte, will ich ihn hier trotzdem kurz zusammenfassen. Joe Gillis ist Drehbuchautor und gerade wenig erfolgreich, lediglich die Produktionsassistentin Betty Schaefer glaubt an sein Talent. Auf der Flucht vor seinen Gläubigern, die Geld oder sein Auto wollen, gerät er versehens in das Anwesen des alternden ehemaligen Stummfilmstars Norma Desmond, das sie zusammen mit ihrem Butler Max bewohnt. Er wird zuerst für den Mann gehalten, der ihren Affen beerdigen soll. Als sie erfährt, dass er Autor ist, bittet sie ihn trotzdem zu bleiben. Er soll das Drehbuch überarbeiten, dass sie für ihr Comeback geschrieben hat. Er nimmt den Auftrag an und lässt sich von Norma aushalten. Sie wird indessen immer besessener von der Idee ihres Comebacks und auch von Joe, der schließlich versucht zu flüchten. Nach einem Selbstmordversuchs Normas kehrt er aber zurück und wird ihr Liebhaber. Er beginnt jedoch mit Betty an einem anderen Drehbuch zu arbeiten und die beiden verlieben sich ineinander. Als Norma das herausfindet, kommt es zur Konfrontation. Joe schickt Betty weg und teilt Norma mit, dass ihr Film nicht gedreht werden wird. In den Anrufen des Studios ging es lediglich um ihren Wagen. Diese Nachricht sowie Joes Vorsatz sie zu verlassen verkraftet Norma nicht. Sie erschießt ihn und verfällt dem Wahnsinn.
Das Buch von Don Black und Christopher Hampton ist im Großen und Ganzen gut gelungen, lässt allerdings ein paar Fragen unbeantwortet. Zum einen lässt die Charakterisierung von Joe Gillis zu wünschen übrig. Sein Hin und Her in Bezug auf Normas schleichend stärker werdenden Wahnsinn ist nicht ganz nachvollziehbar. Einmal findet er sie harmlos, dann wieder ganz und gar nicht und am Ende schickt er Betty weg, um vermeintlich bei Norma zu bleiben. Zwei Minuten später will er diese allerdings verlassen. Die Motivation dahinter kam nicht an bei mir. Auch die Tatsache, dass der Butler Max eigentlich Normas Ex-Mann ist, hätte etwas mehr Erklärung vertragen. Vielleicht liegt das auch an der deutschen Übersetzung (Michael Kunze) der Texte, die manchmal nicht so recht in die Melodie passen wollen.
Die Inszenierung: Die Stiftsruine ist ein interessanter Ort für eine Theateraufführung. Das halb verfallende Gebäude bietet schon alleine durch seine Erscheinung eine gewisse Stimmung, die vor allem mit einer guten Lichtregie (Henrik Forberg) ausgenutzt werden kann. Die besuchte Vorstellung begann um 21 Uhr, als es schon langsam dunkel wurde, die Produktion (Regie: Gil Mehmert) musste sich also bis zum Ende (ohne Pause wird knapp 2 1/4 Stunden durchgespielt) nicht mit wechselnden Lichtverhältnissen auseinandersetzen. Besonders gut wurden die Möglichkeiten genutzt, als ein Gewitter anzudeuten war (an diesem Abend war es real trocken) oder zur Silvesterszene ein echtes Feuerwerk gezündet wurde. Dass den Bühnennebel zwei Männer händisch auf die Bühne tragen mussten, ist da zu verzeihen. Das Bühnenbild (Heike Meixner) ist eher spartanisch. Links eine Treppe, die vor allem von Norma für (dramatisch) Auf- und Abgänge genutzt wurde, rechts ein Gestellt, das auf einer Seite Orgel war und auf der anderen Seite in alle möglichen Örtlichkeiten verwandelt wurde, in der Mitte zwei Palmen. Was man sonst noch braucht wird von den Darstellerinnen und Darstellern auf die und von der Bühne getragen. Das funktioniert sehr gut. Choreographie (Melissa King) und Kostüme (Werner Fritz) sind ebenfalls gut gelungen, auch wenn Bettys Kleider sie älter machen, als sie vermutlich sein soll und Normas grünes Kleid in der Silvesterszene kaum anzusehen ist.
Szenisch ist die Ruine eine interessante Kulisse, akustisch eher nicht. Orchester (Musikalische Leitung: Christoph Wohlleben) und Publikum sind überdacht, die Bühne ist es nicht. Bühne und Publikumsraum sind so voneinander getrennt, was nicht für die besten Klangverhältnisse sorgt.
Die Darstellerinnen/Darsteller: Helen Schneider ist als Norma Desmond dann besonders beeindruckend, wenn sie wahnsinnig ist. Das Ende bleibt nachhaltig in Erinnerung. Fraglos ist sie stimmlich sehr gut, wenn auch ihr Akzent an manchen Stellen etwas irritierend ist. Trotzdem bleibt ihre Darstellung oft ein großes Fragezeichen, weil nicht klar ist, was ist die Rolle und was nicht. Welche Gesten sind absichtlich genau so gesetzt, weil das ihr Rollenverständnis ist und welche sind eben einfach Gesten, die Helen Schneider macht.
Joe Gillis wird von Rasmus Borkowski verkörpert, dem die Pause vom Singen hörbar gut getan hat. Für Musicalfans ist es schade, dass er nun so viel Sprechtheater spielt (noch dazu solche Stücke), aber für seinen Gesang ist es von Vorteil. Stimmlich sicher setzt er vor allem mit "Sunset Boulevard" einen Höhepunkt des Abends. Schauspielerisch muss er allerdings noch an sich arbeiten. Es kommt wenig Gefühl an, vor allem die Liebesgeschichte mit Betty nimmt man ihm nicht ab. Lediglich wenn er wütend ist, ist er wirklich glaubhaft. Singt er, spielt er aber viel besser und bleibt am Ende doch positiv im Gedächtnis.
Katharina Schrade vertrat an diesem Abend Wietske van Tongeren und ist eine tadellose Betty Schaefer, die vielleicht nur eine Spur zu alt klingt. Die Romanze mit Joe kann allerdings auch sie nicht glaubhafter machen. Gerade der Kuss der beiden wirkt gespielt und auch davor spürt man kaum romantisches Knistern. So kommt das Liebesgeständnis etwas aus dem Nichts, auch wenn man natürlich wusste, dass es kommen wird - schließlich kennt man ja die Regeln des Theaters.
Helmut Baumann als Max von Mayerling agiert rollendeckend, bleibt aber nicht wirklich mehr in Erinnerung als der Rest des Ensembles.
Mein Fazit: Der Besuch bei Sunset Boulevard hat sich auf jeden Fall gelohnt. Es ist ein Musical mit schönen Melodien und manch starken Momenten und die Bad Hersfelder Inszenierung kann sich sehen lassen. Empfehlenswert.
Im Web:
- Bad Hersfelder Festspiele
- Ausschnitte bei osthessen-tv.de
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