[Bild via] |
Das Stück: Die Päpstin erzählt die Geschichte von Johanna, einem klugen und wissbegierigem Mädchen, das im Frühmittelalter beschließt als Mann zu leben und schließlich bis zum Papst aufsteigt. Natürlich stellen sich ihr einige Hindernisse in den Weg, in Gestalt von engstirnigen Geistlichen, machtgierigen römischen Adligen und schließlich auch der Liebe zu Markgraf Gerold, von dem sie als junge Frau getrennt wurde und den sie erst Jahre später wieder sieht. Das Musical hält sich im Großen und Ganzen an die Vorlage, den Roman von Donna W. Cross, wenn auch vieles gekürzt, gestrichen und gestrafft werden musste. Schließlich können knapp 600 Seiten Taschenbuch nicht eins zu eins umgesetzt werden.
Die Produktion: Die Spotlight Musicalproduktion GmbH hat sich nach Bonifatius und Elisabeth - Legende einer Heiligen mit Die Päpstin wieder eines mittelalterlichen Stoffes angenommen und die Umsetzung ist wirklich gelungen. Zuerst einmal ist die Produktion dafür zu loben, dass sie die Vorlage nicht auf eine banale Liebesgeschichte reduziert haben, wie es zu befürchten war. Der beste Einfall aber waren in meinen Augen die Raben, die zusammen mit der Heiligen Katharina an Wendepunkten von Johannas Leben immer wieder auftreten. Am Anfang des Musicals erzählt Johannas Mutter, eine sächsische Heidin, dem Mädchen von den alten nordischen Göttern und den Raben Hugin und Munin, die als Götterboten über die Erde wachen. Diese beiden nehmen für Johanna wirklich Gestalt an, genauso wie die Heilige Katharina, die eine hochgebildete und gelehrte Frau war und Johannas Vorbild. Wenn nun zum Beispiel bei einem Überfall der Normannen alle außer Johanna umgebracht werden, wird sie von den Raben beschützt und die Heilige Katharina hilft ihr dabei ihre Frauenkleider abzulegen und in die ihres toten Bruder Johannes zu schlüpfen. Ich bin meist skeptisch, wenn es um Symbolik und dergleichen geht, aber hier wird sie bis zur letzten Szene konsequent und nicht übertrieben umgesetzt. Sehr schön.
Auch im Rest der Produktion kann man die Liebe zum Detail erkennen. Vor allem das Bühnenbild (von Christoph Weyers) ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Die Bühne ist fast schon zu klein für die Drehbühne, hier muss es sich um Milimeterarbeit handeln. Doch die einzelnen Orte sind gut gemacht, so weiß man innerhalb von Sekunden wo man sich befindet, ob nun in der einfachen Hütte eines Dorfpriesters oder dem bunten Treiben des Jahrmarkts in St. Denis. In den Kostümen steckt sicherlich ebenfalls viel Mühe, auch wenn sie zum Teil etwas "zusammen geschustert" aussehen. Da gab es ein paar Kleidungsstücke, die ich nicht unbedingt ins Frühmittelalter eingeordnet hätte, wie zum Beispiel die antik angehauchten Togen (von meiner Freundin liebevoll "frühmittelalterlicher Retrolook" betitelt) oder das doch arg türkise Kleid von Marioza. Gab es so ein Türkis im Frühmittelalter schon? Vielleicht fehlt mir da auch schlicht die historische Kenntnis, Andrea Kucerová wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Choreographisch (Julia Poulet) sind vor allem die Bewegungen der Raben gut gelungen und auch der Jahrmarkt in St. Denis bleibt positiv in Erinnerung. Die brutalen Normannen hätten etwas weniger Moderndance vertragen.
Die Texte (von Dennis Martin und Christoph Jilo) sind zum Großteil unfallfrei gelungen. Ich bin ein sehr heikler Mensch, wenn es um Texte geht, denn ich höre wirklich zu. So reißt es mich dann schon, wenn über Rom gesungen wird, die Stadt wäre ein Shootingstar und eine Diva. Auch der Begriff "Pilgerindustrie" passt für meine Ohren nicht in die Zeit. Den Vogel schießt aber die Zeile "Schon seit Kaiser Neros Zeiten hast du ein Burn-Out-Syndrom" ab. Im Programmheft wird die Frage gestellt: "Wie schreibt man zum Beispiel einen knackigen Songtext über die gesellschaftlichen Zustände in Rom von vor tausend Jahren?" Vielleicht hätte man es mit etwas weniger "knackig" versuchen sollen. Da sich diese Beispiele aber alle in einem Lied versammeln, lässt sich der Rest der Texte - sieht man von der Zeile "wie eine Laus saugt er Euch aus" ab - gut anhören. Wer ein bisschen Latein kann, wird übrigens an ein paar Stellen schmunzeln, etwa wenn "confessio fidei", was eigentlich schlicht Glaubensbekenntnis bedeutet, zu einem "falschen Lehrsatz" wird.
Die Darsteller/Darstellerinnen: Die Päpstin kann mit einem hervorragendem Ensemble aufwarten, das kaum Wünsche offen lässt. Allen voran Sabrina Weckerlin als Johanna ist beeindruckend. Mit welcher Seele und Tiefe sie ihre Rolle anlegt und ausfüllt ist absolut sehenswert. Sie überzeugt sowohl als junge, vielleicht ein wenig naive Frau als auch als gereifte Frau. Einsam zwar durch ihre Verkleidung, aber erfüllt von einem Auftrag Gottes, den sie tief in sich spürt. Selten nehme ich jemandem auf der Bühne Verzweiflung und Weinen so sehr ab wie ihr und ihr "Das bin ich", in dem sie sich gegen die Liebe und für die Annahme der Papstwahl entscheidet ist so wunderschön und kraftvoll, dass man es einfach hören muss. Sehr schön könnte vermutlich auch das Duett "Wehrlos" mit Gerold Mathias Edenborn sein, wenn die beiden nicht mittendrin angefangen hätten zu lachen. Das reißt mich als Zuschauerin aus der Stimmung. Sicher kann es mal passieren, aber dann muss man sich als Profi schneller wieder im Griff haben.
Damit wären wir auch schon bei Mathias Edenborn, der seit seinem letzten Engagement bei Wicked - Die Hexen von Oz deutlich gealtert wirkt. Kaum zu glauben, dass er noch vor gar nicht so langer Zeit einen jugendlichen Prinzen verkörpert hat. Das mag aber unter Umständen an dem Bart liegen, der ihn auf einen Schlag zehn Jahre älter macht. Sein Aussehen ist allerdings Nebensache, denn als Markgraf Gerold muss er weder besonders hübsch aussehen noch besonders gut tanzen können. Schauspielern und singen sollte er können und diese Kriterien erfüllt er. Besonders sein Solo "Ein Traum ohne Anfang und Ende" bleibt in Erinnerung und auch im Streitterzett "Parasit der Macht" macht er eine gute Figur.
Johannas und auch Gerolds größter Gegenspieler ist der junge, intrigante Adlige Anastasius, verkörpert von Christian Schöne, der seiner Rolle trotz S-Fehlers die nötige Verschlagenheit und Hinterlist verpasst. Unfreiwillige Komik entsteht, wenn er singt "so viel Blut sah ich noch nie" und am Toten vor ihm ist kein Tropfen Blut zu erkennen. Das hätte in über einem Monat Spielzeit auch schon jemandem auffallen können.
Isabel Dörfler ist im ersten Akt als Johannas Mutter Gudrun zu sehen und hat mit "Boten der Nacht" eins der schönsten Lieder der Vorstellung. Im zweiten Akt hat sie dann einen Auftritt als Bordellbesitzerin Marioza, der ebenso gut gelingt. Hervorzuheben ist auch noch Dietmar Ziegler, der erst als Bischof Fulgentius später als Mönch Rabanus zu sehen ist. Als zweiterer setzt er mit seiner lyrischen Interpretation von "Hinter hohen Klostermauern" einen weiteren Höhepunkt. Vielen durch seinem Notizblog bekannt, fällt auch Matthias Bollwerks Stimme immer wieder positiv auf. Auf der Besetzungsliste ist er als Johannas Bruder Johannes aufgeführt, auch wenn er als Arzt des Papstes eigentlich viel mehr zu tun hat - diese Szene ist vor allem für alle Fans von Frühlings Erwachen amüsant.
Unbedingt zu erwähnen sind auch noch Finn McGilvray und Doreen Sommer, die Kinder, die den kleinen Johannes und die kleine Johanna darstellen. Vor allem die kleine Johanna hat mich sehr beeindruckt. Der Rest des Ensembles agiert rollendeckend, spielt und singt sehr engagiert in zahlreichen Mehrfachbesetzungen, die nur dann wirklich auffallen, wenn Nonnen oder die Heilige Katharina knallrot geschminkte Lippen haben.
Sonstige Bemerkungen: Ich bin nicht nur eine, die bei Texten zuhört, sondern auch eine, die das Programmheft nicht einfach nur als Souvenir kauft, sondern auch liest. Im Prinzip schön gestaltet, fallen doch einige Rechtschreib- und Grammatikfehler auf. Vor allem kann hier jemand die deutsche Grammatik nicht, wenn sich ein Fehler konsequent durch das ganze Heft durchzieht. Schade. Interessant die Doppelseite an Bildern zur Szene "Verrat", die zumindest an diesem Nachmittag nicht statt fand. Amüsant auch, dass im Vorwort dem Fuldaer Bischof für seine Gesprächsbereitschaft gedankt wird. Offensichtlich hat man ihm in all den Gesprächen nicht klar machen können, dass ein Musical keine historische Dokumentation auf der Suche nach "Wahrheit" ist. Seine Meinung zur Geschichte (nicht zum Musical, gesehen oder gehört hat er's ja nicht) hier.
Mein Fazit: Ein überaus sehenswertes Musical mit schönen Melodien, sehenswerten Choreographien, engagierten Darstellern/Darstellerinnen und einer alles überstrahlenden Sabrina Wecklerin. Die Spielzeit wurde aufgrund großen Erfolges bis zum 14. August 2011 verlängert.
Im Web:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen