Sweeney Todd - Blutbad in der
Volksoper
„Es gibt nur ein London“ singt der Seemann
Anthony, als die Geschichte um Sweeney Todd, den Barbier des Grauens“ in der
Fleet Street beginnt. Dieses London, zur Zeit der Industriellen Revolution ist
in der Wiener Volksoper als Auftakt zur neuen Saison neu auferstanden.
Sweeney Todd kehrt mit dem Seemann Anthony
in seine alte Heimat London zurück. Sein Weg führt ihn zu seiner alten Wohnung
unter der sich nun ein Laden für Fleischpasteten befindet. Mrs. Lovett, dessen
Besitzerin, ködert ihn in seinen Laden. Und so wird der ehemalige Barbier von
seiner Vergangenheit eingeholt. Richter Turpin ließ ihn vor Jahren verbannen,
seine Frau Lucy verfiel dem Wahnsinn und seine Tochter Johanna wird vom Richter
großgezogen, der sie zudem noch heiraten will. Sweeney Todd schwört Rache und
wird zu einer Killermaschine, schneidet, seinen alten Beruf als Barbier wieder
aufnehmend, seinen Kunden die Kehle durch, mit dem praktischen Nebeneffekt,
dass Mrs. Lovetts Fleischvorrat gefüllt und ihr Geschäft wieder zum Laufen
gebracht wird. Solange bis alles aus dem Ruder läuft...
Die Inszenierung von Matthias Davids
selbst ist gut gelungen. Als Mrs. Lovett dem nach London zurück gekehrten
Sweeney Todd erzählt, was Richter Turpin seiner Familie antat, wurde dies
aufwändig (Besonders zu erwähnen sind hier die Kostüme von Susanne Hubrich)
im Hintergrund inszeniert. Fabrice Kebour tauchte die Szenerie in kaltes
Licht. Besonders am Ende des zweiten Aktes wird das Licht klug eingesetzt und
formt das Bühnenbild in verschiedene Ortschaften und Stimmungen. In Mrs.
Lovetts Strandurlaubs-Lied wäre ein verträumteres Lichtdesign wünschenswert
gewesen, das hätte das Lied unterstützt. Etwas unlogisch war die Tatsache dass
allein bei der Ermordung von Sweeney Todd kein Kunstblut floss (oder spritzte).
Die Übersetzung aus der Feder Wilfried
Steiners ist gelungen, auch wenn sie vom Reimschema und Intonation dem
Original nicht das Wasser reichen kann. Nur die Zeile „Wir tratschen und ich
hol' dir die Patschen“ passte stilistisch nicht zum Rest der Übersetzung.
Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau
zeigt und ein kühles, in Grautönen und rot gehaltenes Maschinerie-London. Riesige Zahnräder als
Flächen und Schrauben als Säulen sollen den Zuschauer darauf aufmerksam machen,
dass wir uns in der Zeit der Industriellen Revolution befinden. Hier bekommt
der Einsatz der Drehbühne zusätzlich noch einen Fabrikcharakter.
Erfrischend anders als der Großteil der
heute in Wien zu sehenden Musicals ist der Gesang. Während wir heute in anderen
Häusern zumeist „Rockopern“ lauschen und auch der Gesang der älteren,
operettenhaftigeren Stücke immer mehr in Richtung Pop geht, eine Kaiserin
Elisabeth, anstatt sauber ihre Töne zu singen, ihre Zeilen beltet oder notfalls
nur noch schreit, darf man bei „Sweeney Todd“ in der Volksoper noch klassisch
ausgebildeten Stimmen lauschen, was dem ganzen Stück eine ganz andere Qualität
verleiht. Das Team von Sweeney Todd beschränkte sich auf die hauseigenen
Sänger anstatt extern zu casten. Dadurch ist der Gesang zu der teils pompösen
Komposition Stephen Sondheims, die gekonnt vom Orchester unter der Leitung von Joseph
R. Olefirowicz umgesetzt wird, durchaus passend.
Die Sänger taten einen guten Job. Marco
Di Sapia spielte an diesem Abend Sweeney Todd und war sowohl gesanglich als
auch darstellerisch sehr überzeugend. Statt Volksopern-Direktor Robert Meyer
schlüpfte Kurt Schreibmayer in die Rolle des Richter Turpin und gab
einen passionierten Antagonisten. Dagmar
Hellberg war eine überzeugende Mrs. Lovett, verzweifelt, tragisch aber auch
lustig. Allein Anita Götz als Johanna, Sweeneys Tochter, war
enttäuschend. Ihr eigentlich melancholisches Solo „Grünfink und Nachtigall“
klang wütend und trotzig. Ihr Spiel war unglaubwürdig, wurde gegen Ende, als ihr
Charakter aus dem Irrenhaus flieht, aber glaubwürdiger.
Fazit: Sweeney Todd ist ein durchaus
sehenswertes Musical, skurril, gut gesungen und ein Stück mit Qualität, derer
es in Wien mehr geben sollte.
(c) Natalie S.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen